Sprechender Stahl

Sprechender Stahl

Winfried Wieg

Am 19. November 2015 wurde im Schloss Elisabethenburg, dem Hauptdomizil der Meininger Museen, eine Sonderausstellung mit dem Titel Sprechender Stahl eröffnet. Sie präsentiert Werke der unweit von München lebenden Bildhauerin Gabriela von Habsburg, die an der Akademie der Bildenden Künste München Schülerin des Dänen Robert Jacobsen sowie des italienischstämmigen Schotten Sir Eduardo Paolozzi war. Die für eine geraume Zeit, bis zum 24. April 2016, laufende Exposition bildet einen beachtlichen und sehenswerten Beitrag unter den Angeboten der südthüringischen Museumseinrichtung. So ver- sammelt sie etwa vierzig kleinformatige Skulpturen (Höhe unter 1 m), darunter auch Entwürfe und Originale einiger jener plastischen »Preistrophäen«, die die Künstlerin für hohe kulturelle oder politische Ehrungen geschaffen hat (z. B. CineMerit Award, Burgmeister Fernsehfilmpreis, Henry-Kissinger-Preis). Wie dieser Werkkomplex belegt auch eine Auswahl von Metallskulpturen im Mittelformat, die vorwiegend im Innenhof der Meininger Schlossanlage und damit freiräumlich zur Aufstellung kommt, nicht nur die aktuellste Schaffensphase der Bildhauerin etwa ab dem Jahr 2010. Vielmehr datieren die zusammengeführten Exponate bis in die Mitte der 1990er-Jahre, was einen relativ repräsentativen Querschnitt des bisherigen künstlerischen Schaffens Gabriela von Habsburgs offeriert. Selbstverständlich durfte dabei ihr engagiertes und sehr erfolgreiches Agieren im Bereich der großformatigen ortsfesten Skulptur für den öffentlichen Raum nicht fehlen. Mittels einiger Modelle sowie Großfotos werden in der Meininger Schau auch signifikante Exemplare dieser Werkgruppe vorgestellt. Gleichsam Gipfelpunkte einer gekonnt vorgetragenen Reduktion skulpturaler Formen sowie einer zeitgemäßen assoziativen Denkmalhaftigkeit sind ihre Standorte gleich in mehreren europäischen Ländern zu finden.
Eine Kollektion aus etwa dreißig Lithographien rundet das temporäre Werkearrangement in den Meininger Museen ab. Auch in diesem künstlerischen Metier ist der Ausstelle- rin eine ganz persönliche Stilistik und Ausdrucksweise zu ei- gen. Die Basis hierfür, ein fein abgestimmtes Vokabular aus klassischen geometrischen Grundformen, bestimmt auch die Überlegungen und Zielstellungen der Künstlerin bei der Umsetzung von dreidimensionalen Arbeiten.
Die Beiträge dieser Publikation aus der Feder anerkannter Experten entstanden im Zusammenspiel mit der Meininger Ausstellung und gehören derzeit zu den profundesten Analysen und Vorstellungen des künstlerischen Werks Gabriela von Habsburgs. Die Fotografien für den Abbildungsteil wurden vorwiegend direkt in den Ausstellungsräumen von Schloss Elisabethenburg aufgenommen. Sie vermitteln nicht nur ei- nen optischen Eindruck von der dort erzielten Gesamtheit der skulpturalen Exponate und ihrem örtlichen Arrangement, sondern liefern auch von jedem Einzelobjekt ein detaillier- tes Bild. So dürfte dieses Projekt der Meininger Museen ein ganz wesentlicher Beitrag dazu sein, eine Bildhauerin einem noch größeren Publikum bekannt zu machen, die mit ihrem bisherigen Schaffen schon etliche Achtungszeichen im Sektor der modernen Skulptur setzen konnte und wohl auch künf- tig dort für so manche substanzielle Bereicherung und Erfrischung sorgen dürfte.
Allein aus diesem Grund war die Realisierung der Ausstellung und des Katalogs ein lohnenswertes Unterfangen, obwohl die Meininger Museen nicht zum Kreis der auf zeit- genössische Kunst spezialisierten Einrichtungen gehören. Ein weiterer Beweggrund, dieses Projekt in Meiningen zu verwirklichen, erklärt sich mit Gabriela von Habsburgs Abstammung. So ist sie mütterlicherseits mit dem herzoglichen Haus Sachsen-Meiningen verwandt, entstammt damit also einer fürstlichen Familie, die insbesondere Ende des 19. Jahrhunderts Kulturgeschichte übernational beeinusste. Auf die Frage nach ihren Lieblingsahnen strich die Künstlerin im Rah- men eines Interviews unter anderen Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen heraus, der bekanntlich als sogenannter »Theaterherzog« besonders zur Förderung der Künste bei- trug. Für Gabriela von Habsburg ist er deswegen so großartig, weil er ein echter Künstler war und mit seiner naturalistischen »Meiningerei« Theaterweltgeschichte schrieb.1 Es fügt sich zu einer schönen und sinnfälligen Konstellation, dass nunmehr im Meininger Schloss Elisabethenburg, dem einstigen Residenz- und Wohnsitz Georgs II. und damit an ganz authentischer Stelle, eine große Sonderausstellung mit Skulpturen der Bildhauerin Gabriela von Habsburg, der Ururenkelin dieses Meininger Herzogs, formiert werden konnte. Dass die Künstlerin derzeit das Haus Sachsen-Meiningen in der Kulturstiftung Meiningen-Eisenach vertritt, sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. So ist ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat dieser Institution ein Widerschein von Gabriela von Habsburgs Leben – nicht nur als kreative und agile Künstlerin, sondern auch in ihrem mit zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Verpflichtungen ausgefüllten Dasein.
Mein ganz persönlicher Dank gilt allen Beteiligten, die mit ihrem Wissen und Engagement zum Gelingen dieses interessanten Ausstellungsprojekts der Meininger Museen beige- tragen haben, vor allem den Autoren dieses Buches: Dieter Ronte und Manfred Schneckenburger. Es ist mir ein ganz besonderes Bedürfnis, Herrn Dr. Elmar Zorn herauszuheben, der seine Rolle als Mit-Kurator, Laudator und Ausstellungspublizist ideenreich und bravourös meisterte. Als Herausgeber dieser Publikation ist es zudem maßgeblich sein Verdienst, dass dieses Ausstellungsprojekt der Meininger Museen ein nachhaltiges ist. Selbstverständlich danke ich der Künstlerin Gabriela von Habsburg, die von Anfang an unterstützend und vor allem mit Vertrauen und großer Zuversicht das Wachsen der Ausstellung Sprechender Stahl begleitete.
1* Siehe Ingo Langner, Bibliotheksporträt – Die Bücher der Kaiser-Enkelin, in: Cicero, August 2013.